Der Dämon und die Liebe

Mensch:
Ich liebe! Welch wundervolle Worte. Ich liebe! Bin berauscht von dem nie geglaubten Glück.


Dämon:

Wer bist du, dass du es wagst, mich zu stören?


Mensch:
Ich, der glücklichste Mensch auf diesem Erdenball! Ein Mensch aus Fleisch und Blut. Verzeihen Sie bitte, ich wollte Sie nicht stören! Das müssen Sie mir schon glauben! Der Grund ist so alt wie die Welt und doch für mich so neu. Nie glaubte ich an Wunder, und doch ist’s geschehen! Ich liebe! Ja, ich liebe! Ein Gefühl berauschender Zärtlichkeit und niemand kann es mir erklären. Ich liebe! Verstehen Sie, ich liebe!


Dämon:

Ein Schritt vor, zwei zurück! Mensch, hör auf mich zu belügen! Fühlst du nicht, dass dein Geist durch all den Liebeszauber dir die Sicht vernebelt? Nur ein Narr, der an Wunder glaubt.


Mensch:
Tausend Narrenkleider kannst du mir überstreifen! Mich verspotten! Immer würde ich an die Liebe glauben!


Dämon:

Ich bin der Herr der Finsternis, und niemand wird es wagen, die Wunden, die ich der Liebe durch gezielte Stiche ins Herz versetze und voll Wollust den Liebestollen quäle, zu verbinden. Du Mensch, welch wundervolles Geschöpf, nur hängen deine Fäden, die dich zur Marionette machen, in meiner Hand!


Mensch:
Jetzt, da ich weiß, wer mit mir spricht, fällt es mir leicht, darauf zu antworten. Häufig, viel zu häufig, wenn das Dunkel der Nacht versucht mich einzuhüllen, schleichst du heran, als seiest du ein Geist, raubst mir den Schlaf, beabsichtigst mich, durch Worte zu vergiften. Geh, bitte geh, den Kampf hast du verloren!


Dämon:
Wie klug du bist! Ich kann’s nicht fassen. Doch alles ist nicht wahr. Zeig mir einen Menschen, der nicht käuflich ist! Sag schnell, was ist dein Begehren. Denn ein guter Dämon, der ich bin, will dich fesseln, möchte dir die Welt zeigen, die Welt, wie sie wirklich ist.


Mensch:

Oh, wie verlockend es klingt, aber ich weiß, du Dämon in Menschengestalt, du kennst nur den Weg der Vernichtung. Wie soll ich dir da vertrauen?


Dämon:
Vertrauen, welch ein Wort. Ich kann nur lachen. Es ist, wie es ist. Und ein Kind bist du längst nicht mehr!


Mensch:
Ich liebe, und darin liegt das Vertrauen. Auch wenn ich ihr, und das mein’ ich ernst, eine Rose schenkte, steckt längst nicht Hörigkeit dahinter! Und wenn du meinst, ich könnte im Garten der Lüste eine andere Frau verführen, vielleicht einen anderen Weg wählen, glaube mir, dagegen kämpfen würde ich, das schwöre ich dir!


Dämon:

Welch Vorsatz, welch edler Mensch du bist! Das Spiel beginnt. Zug um Zug, die Figuren setze ich. Mensch, gewinnen wirst du nicht!


Mensch:
Es kann schon sein, dass du die Macht besitzt, das will ich nicht bestreiten. Aber eines hast du nicht, sosehr du dich auch bemühst. Die Tiefe, die die Liebe schenkt, gehört mir, nur mir allein!


Dämon:

Ich kann nur lachen. Dieser Mensch ist verrückt. Liebe, welch ein hässliches Wort! Voll Abscheu kann ich nur daran denken. Schrecklich, Götter besangen sie einst in den höchsten Tönen. Erhoben sie sogar zum Olymp. Ich, der Dämon wird sie mit dem Schwert der Eifersucht vernichten. Das ist meine Aufgabe in dieser Welt!


Mensch:

Auch sollte dein höhnisches Gelächter zu meinem ständigen Begleiter sich entpuppen, glaubst du, dass ich, der Liebende, mich dir unterwerfen werde? Nein Dämon, Liebe in dieser Welt wird mächtiger sein, als der Hass, der durch deine Hände fließt.


Dämon:

Nie wirst du mich los! Zeigen werde ich dir, wie Macht funktioniert. Es gibt keine Wendung in unserem Spiel! Und ganz langsam, Schritt vor Schritt, werde ich das Gift des Alltags streuen. Und zusehen werde ich, wie deine Liebe dich ignoriert! Das wird jetzt dein Weg sein!


Mensch:
Nun weiß ich genau, wer du bist. Eine Kreatur, die jeder hasst. Ganz leise werde ich jetzt flüstern, damit du deine Ruhe hast und eine andere Seele suchen kannst – ich liebe, verstehst du, ich liebe!


Dämon:
Welch einfältiger Mensch du bist! Das Spiel des Lebens begreifst du nicht!


Mensch:
Ich liebe, das ist kein Spiel. Dämon, wer liebt dich?

(Dietmar Ostwald)